Inhaltsverzeichnis
Die Ansiedlung in sächsischer Zeit (300 - 800 n. Chr.)
Von der Frühgeschichte Wehrstedts gibt es nur spärliche Zeugnisse, so daß wir die Anfänge gar nicht genau
beschreiben können.
Man vermutet, daß in der Völkerwanderungszeit, als alle Völker Europas auf der Suche nach fruchtbaren Ackern
umherzogen, sich hier in Wehrstedt Sachsen niedergelassen haben, die
von der Unterelbe kamen. Das gleiche gilt für die anderen Dörfer mit
der Endung "-stedt", z. B. Upstedt, Egenstedt, Hackenstedt, Lechstedt
usw. Diese Dörfer liegen auf Hügeln und Hängen, weil die guten
Landstücke in den Tälern schon "besetzt" waren; die "Stedt'-Dörfer
mußten mit den weniger guten Böden zufrieden sein.
Der Wortbestandteil "Wehr" in dem Namen unseres Dorfes ist schwer zu deuten. Vielleicht haben sich damals die
Männer des Dorfes in einer Art Wehr-Verband zusammengeschlossen, denn es waren ja kriegerische Zeiten!
Die sächsischen Stämme waren durch die Verehrung ihrer gemeinsamen Götter verbunden. Das Land war in
verschiedene Gaue unterteilt, in denen sie nach eigenen Gesetzen Recht
sprachen. Wehrstedt gehörte zum Flenithigau. Im 8. Jahrhundert kamen
die Franken und ihre mächtigen Kaiser, um die Sachsen ihrem Reich
einzugliedern und ihnen das Christentum zu bringen. Bekanntlich hat es
Karl der Große mit dem Schwert gebracht. Aber sie gaben den Sachsen
auch Klöster, Bischöfe und Kirchen.
Einzug des Christentums
Etwa um 800 n. Chr. unterwarfen die Franken die heidnischen Sachsen. Karl der Große eroberte nicht nur die
sächsischen Gebiete, sondern führte auch das Christentum ein. Die
Bewohner der Sachsen-Gaue lehnten sich immerwieder auf. Die Feldzüge
waren mit großen Opfern auf beiden Seiten verbunden und dauerten bis
zur endgültigen Unterwertung der Sachsen 30 Jahre (772-802). Anstelle
der Gauvertassung wurde die fränkische
Graf-schaftsvertassung eingeführt. Königliche Grafen aus
fränkischen Adelsgeschlechtern übten das Amt aus. Die
neuen Grafschaften wurden aus mehreren Gauen gebildet.
Mit einer Verordnung aus dem Jahre 789 wurden an den Domstiften Klöster
und Schulen eingerichtet. Die Bischöfe sollten Erzieher der Bekehrten,
Ratgeber des Königs und gleichzeitig Heerführer sein, um ihr Amt zu
verteidigen.
Durch die Franken wurde nicht nur die Landschaftseinteilung, sondern
auch der Glaube geändert. Das ging nicht ohne Widerstände! Um aber dem
Christentum den nötigen Respekt zu verschaffen, ließ Karl der Große für
das Gebiet der Sachsen besondere, sehr harte Gesetze verordnen.
So stand die Todesstrafe unter anderem auf:
- Todschlag und Diebstahl in der Kirche Weitere Leichenverbrennung nach alter, heidnischer Sitte Meineidige
- Demjenigen, der den Geistlichen oder einen Mann auf dem Weg zur Kirche tötet
- Dem, der Pferd, Ochse oder Bienenkorb aus einer Umzäunung entwendete
Als Pflichten wurden verordnet:
- Taufe aller Kinder innerhalb eines Jahres
- Beerdigung auf dem Kirchhof
- Sonntagsheiligkeit
- Eidablegung in der Kirche
- Keine Opfer oder Gelübde mehr unter Bäumen, in Hainen oder an Quellen, wie es bei Heiden vormals Sitte war.
Die Kirchen wurden zuerst an den Haupt- oder Malstätten der Heiden
errichtet. Damit sollte auf diplomatischem Wege die Einführung des
Christentums durchgesetzt werden (Malstatt bei Detfurth).
Zeitgenöss. Bild eines pflügenden Bauern
Die finanzielle Sicherheit der Kirchen und der Stiftungen gründete sich
auf Abgabe des Zehnten. Außerdem wurde den Kirchen Land zugewiesen. Die
Verwaltung des Landes übernahmen zunächst fränkische Beamte, später
auch Angehörige angesehener sächsischer Geschlechter, auch im hiesigen
Flenithigau. Ob die Vorfahren des Gerhard von Wehrstedt fränkischer
oder sächsischer Herkunft waren, ist nicht überliefert.
Wehrstedt im Mittelalter
Bischof Hartbert überträgt am 20. Dez. 1210 dem Andreasstift in
Hildesheim die Lehnsgüter des Ritters Gerhard von Wehrstedt (5'/2
Hufen)
Wehrstedt und das Kloster Marienrode
Im frühen 12. Jahrhundert wird Wehrstedt in den Urkunden zum erstenmal
erwähnt und steigt somit aus dem Dunkel der Geschichte auf. Das Kloster
Marienrode ließ sich vom Bischof von Hildesheim schriftlich bestätigen,
daß drei Höfe in Wehrstedt dem Kloster den Zehnten ihres Ertrages
abzuliefern hatten und zwei Wehrstedter auf seinen Gütern arbeiten
mußten.
Auffällig ist, daß es zwei Ausfertigungen dieser Urkunde gleichen
Datums gibt, nur sind in der einen die Besitzungen in Wehrstedt nicht
genannt. Sollten die frommen Klosterbrüder von Marienrode vielleicht
diese Eigentumsrechte ?nachgetragen" haben, weil sie der Bischof
"vergessen" hatte? Das ist lange vorbei, und die Wehrstedter sollten
großzügig sein!
Gründung der Kirchengemeinde
Am 13. November 1207 lösten sich die Wehrstedter aus der Detfurther
Mutterkirche (Archidiakonat), um eine selbständige Kirchengemeinde zu
gründen. Dem Ritter Gerhard von Wehrstedt ist es zu danken, daß in
Wehrstedt eine eigene Kirche "zur Mehrung der Ehre Gottes und der
Religion" errichtet wurde, die auch der "Bequemlichkeit der Diener
Gottes dienen" sollte. Es ist verständlich, daß die Wehrstedter nicht
mehr den weiten Weg über den Papenberg ("Popenberg"!) zum Gottesdienst
nach Detfurth antreten wollten.
Die Wehrstedter haben für den Bau der Kirche große Opfer gebracht. Sie
sollen selbst "angefaßt" haben. Erstaunlich ist, daß die Kirche keinem
heiligen Patron anvertraut wurde. Sie wird wohl deshalb An-
dreaskirche genannt, weil sie später Lehnsgut des Andreasstifts war. Im
18. Jh. dagegen wird sie auch "Trinitatis" genannt. - Sie wird wohl ein
"Findelkind" bleiben müssen. Um den Pfarrer von Detfurth für die nun
ausbleibenden Einnahmen zu entschädigen, gaben die Wehrstedter ihm
einen Hof. Der Küster von Detfurth erhielt zwei Morgen Land.
Für die Instandhaltung der Detfurther Kirche zahlten sie in jedem Jahr
drei Solidi und sorgten auch für die Wachskerzen in der Mutterkirche.
Die Wehrstedter hatten damals viel für das Gemeindeleben übrig und genossen wohl auch einen gewissen Wohlstand.
Der Ritter Gerhard von Wehrstedt
Ritter Gerhard von Wehrstedt hatte sich große Verdienste um die
Kirchengemeinde Wehrstedt erworben. Einige Male trat er in den Urkunden
als Zeuge von Rechtsgeschäften auf. Was sicher darauf hindeutet, daß er
in Hildesheim und bei seinem Lehnsherrn, dem Bischof, ein geachteter
Mann war.
Doch schon drei Jahre nach der Kirchgründung sank sein Stern. Weil er
keine männlichen Erben hatte, mußte er sein beträchtliches Lehen dem
Bischof zurückgeben, der dieses dem Andreasstift, das erst vor einigen
Jahren auf dem Moritzberg in Hildesheim gegründet worden war, übertrug
und zum Zeichen dessen seinen Bischofshut über die Reliquien der
Andreaskirche legte. Zu dem verlorenen Besitz gehörten 5'/2 Höfe mit
dem Zehntrecht, zwei Meierhöfe, ein Wäldchen, die Mühle und die Kirche
mit den dazugehörigen drei Höfen.
Die Tochter des Ritters, Jutta, machte den Stiftsherren vom Moritzberg
lange ihr Erbe streitig. Erst achtzehn Jahre später, am 10. November
1228, schrieb Bischof Konrad II von Hildesheim, sie habe auf die Güter
verzichtet. Der Ton des Bischofs war angesichts des unbeugsamen
Ritterfräuleins sehr bestimmt:
"Im Namen der heiligen und einigen Dreifaltigkeit. Konrad von Gottes
Gnaden Bischof von Hildesheim entbietet allen, die dieses Schriftstück
hören, den Gruß im Herrn. Allen - den zukünftigen und den gegenwärtigen
- soll zur Kenntnis gebracht werden, daß Jutta, die Tochter des
erwähnten Gerhard von Wehrstedt seligen Angedenkens, die Herren des
Andreasstiftes zu Hildesheim ungebührlich bestürmt und belästigt hat.
Diese haben das Gut in Wehrstedt von ihrem Vater selbst in Übereinkunft
mit den Erben rechtmäßig und den Regeln entsprechend erworben und
genießen, den Besitz schon lange in Frieden Es darf nicht gegen die
Gesetze herausgefordert werden."
Das junge Stift brauchte fette Pfründe!
Der Kreuzfahrer Rode
Im Mittelalter gab es noch einen weiteren bedeutsamen Mann in
Wehrstedt. Der Bürger Bruno Rode hatte sich den Rittern angeschlossen,
um in Palästina die Heiligen Stätten für die Christenheit zu erobern.
Für Bruno Rode war es bestimmt eine strapazenreiche Reise zu Pferd von
Wehrstedt nach Jerusalem!
Um aber seine Frau Gertrude und die Söhne Hermann und Konrad nicht
mittellos zurückzulassen, übergab er sein Gut am 27. Juni 1217 dem
Andreasstift zu Hildesheim, um 25 Mark für den Lebensunterhalt der
Familie einzulösen (das entspricht 200 Silbertalern). Bruno Rode war
wie viele damals von frommem Eifer getrieben, denn jeder Vater sieht
seine
Nachkommen doch gern als'Erben seines Besitzes. Und man muß bedenken,
daß jeder Kreuzfahrer seine Rüstung und seinen Proviant selbst bezahlen
mußte. Die kosteten etwa soviel wie zwei Hufen, die etwa zwei Familien
Nahrung boten.
Zu vermuten ist, daß die Rodes auf dem Ackerhof (Am Sportplatz 10)
gesessen haben, weil a) nur dieser eine Hof etwa 3 Hufen groß war und
b) nur er allein ein Ackerhof oder Meierhof in Wehrstedt war. Meierhöfe
waren im Mittelalter eigenbewirtschaftete Vorwerke von Klöstern o. ä.
Wenn das Andreasstift diesen Hof übernahm, sind beide Voraussetzungen
gegeben.
Bruno Rode muß wohl mit Kaiser Friedrich II. am fünften Kreuzzug
teilgenommen haben, der zunächst nach Brindisi in Süditalien führte.
Von dort traten 1228/29 die Kreuzfahrer die Seereise über Kreta und
Zypern nach Tripolis an der syrischen Küste an.
"En Stadtsoldate in Hilmesen"
Das ausgehende Mittelalter ist für einen Wehrstedter Chronisten wenig
ergiebig. Besonders das 14./15. Jahrhundert gibt sehr karge Nachrichten
über den Ort oder die Wehrstedter. Lediglich in den Stadtrechnungen der
Stadt Hildesheim sind ein paar Hinweise zu finden.
Demnach hat der Wehrstedter Lampe 1379 als Stadtsoldat in
hildesheimischen Diensten gestanden. Dieser Söldner "Lampen von
Werstede" ist möglicherweise ein rechter Draufgänger gewesen, denn aus
dem Stadtsäckel hat er mehrfach Kriegsgerät ersetzt bekommen. Er bekam
einmal 3 m (Mark) Unterstützung, für den Verlust seines Pferdes 3'/2
Mark und für Sattel, Harnisch, Zaumzeug und verschiedene Kriegsgeräte
eine Entschädigung von 1 Thaler ausgezahlt. Seine Witwe erhielt von der
Stadt einen Leichenstein für 21 Groschen.
Welches Schicksal mag wohl hinter diesen bruchstückhaften
Aufzeichnungen gestanden haben? Warum wohl gingen Sattel, Harnisch und
Kriegsgeräte "in die Brüche" ? Warum bekam seine Frau einen
Leichenstein ? Mögen diese Stadtrechnungen unserer Phantasie freien
Lauf lassen.
Hier der originale Text der Aufzeichnung :
a) . . .Datum stipendenariis. Lampen de Werstede 3 m ... (1379)
b) Lampen van Werstede pro loquo mortuo (Tod des Pferdes) 3V2 m unde vor sin harnsch, do he vanghen ward 3 f
groven for enen sadel, tom unde gherede 1 f . . . (1379)
c) . . . Lampen wedewe van Werstede vor eynen liksteyn 21 s . (1379)
Hatte Wehrstedt 2 Mühlen ?
Eine interessante Urkunde über Wehrstedt findet sich im Lehnsbuch des
Bischofs Ernst von Hildesheim. Dort wird im Jahre 1458 dem Heinrich von
Steinberg sein Lehnsgut bestätigt. In diesem Lehnsbrief
wird eine zweite Mühle erwähnt, die weiter oben an der Lamme gestanden
haben soll. Ob der Müller die Wasserkraft des Schellborns genutzt hat?
Das ist wegen des weiten Weges wohl kaum erwägenswert. Oder steht diese
Mühle im Zusammenhang mit dem "schwarzen Wehr" ? Dann müßte sie in der
Nähe des heutigen Kaufeischen Grundstückes gestanden haben, und dann
wäre sie durch die Tranen erreichbar gewesen. Oder hat sie "boven dem
dorpe", also oberhalb des Dorfes, oben vor der Ohe im Ohe-Feld oder
hinter den Gärten gestanden ? Dann wäre es eine Windmühle gewesen, die
den Wind aus Richtung Klusberg und Gallberg nutzte. Flurnamen deuten
allerdings nicht auf solch eine Vermutung hin. Darüber könnten nur
archäologische Grabungen hinsichtlich des Wehres, des Mühlenteiches,
der Grundmauern usw. Auskunft geben.
Der Text von 1458:
"van Steynberge
Dusse nahbeschreven gudere hefft Hinrich von Steynberge Hanses Sohne
van meynes heren gnaden und synem stichte tho lehne entfangen:
Item 14 hove landes tho Werstedte und den legenden darsulvest und dat
gantze dorp mit geeichte und Ungerichte und aller thobe horinge und 2
molensteden
1 boven dem dorpe."
Diese nachfolgend beschriebenen Güter hat Heinrich v. Steinberg -Hans
v. Steinberg's Sohn "von meines Herren Gnaden und seinem Stift als
Lehen empfangen : 14 Hufen Landes (ca. 350 Morgen) in Wehr-stedt und
den Zehnten daselbst und das ganze Dorf mit Gericht und Untergericht
und alles Zubehör und 2 Mühlen, 1 davon oberhalb des Dorfes.
Die Stiftsfehde 1519 - 1523
Das erste Viertel des 16. Jahrhunderts, also die Reformationszeit,
brachte für die einfachen Leute viel Unglück. Im Zuge des
Glaubensstreites haben die adligen und geistlichen Herren unter der
Fahne der Macht ihren Strauß ausgefochten. So schlugen sich der
Fürstbischof von Hildesheim und das Weifenhaus zu Braunschweig um
allerlei Rechte und Güter im Stiftsgebiet. Bischof und Herzog zogen mit
ihren Gefolgsleuten und Landsknechten mordend und plündernd durch die
Lande. Sie verbrannten die Saaten und auch ganze Dörfer.
Burchard von Steinberg auf Bodenburg stand im herzoglich-braun-schweigischen Lager und versammelte die
aufrührerischen Truppen im Räume Bodenburg - Salzdetfurth. Bei einem
Rachefeldzug der stiftischen Mordbanden ging das nahe gelegene Dorf
Tidexen in Flammen auf, die nur wenige am Leben ließen. Heute bewahrt
noch der Name Tidexer Berg das Andenken dieser Katastrophe.
Wehrstedt blieb verschont, weil es, vom Schicksal begünstigt, nicht an
der Straße von Hildesheim nach Bodenburg lag, auf der die blindwütenden
Landsknechte gezogen kamen.
Als Ergebnis dieser Fehde blieb die Aufteilung des Stiftes in katholisch bischöfliches Territorium und in weltlich
braunschweigische Gebiete, in die dann die Reformation ihren Einzug hielt.
Die Familie v. Steinberg (Haus Almstedt - Wehrstedt)
Das Geschlecht der Ritter von Wehrstedt war 1210 ausgestorben. Zu
Beginn des 14. Jahrhunderts wurden die Ritter von Steinberg mit dem Gut
von Wehrstedt belehnt. Die von Steinberg waren damals eine prominente
Familie, die Bodenburg und Salzdetfurth beherrschte, und die darauf aus
war, ihre Hausmacht noch stärker auszuweiten. In einem Adelslexikon von
1740 finden wir folgende Beschreibung ihrer Herkunft und Geltung:
"Eines der ältesten und ansehnlichsten adeligen Häuser in Niedersachsen
. . . Heinrich von Pirremont, der aus Frankeich gekommen, und mit dem
Grafen von
Pyrmont in naher Verwandtschart gestanden haben, [wird] zum Stammvater
gesetzt. Dessen Nachkommen sollen ihren Namen verteuscht [haben]" . . .
Ein Sproß dieses Hauses, namens Bodo, soll die Burg und Ort Bodenburg
gegründet haben. Was an dieser Herkunftserklärung Wahrheit und Legende
ist, entzieht sich unserem Urteil. Es ist aber denkbar daß die von
Steinberg mit den fränkischen Eroberern ins Sachsenland " kamen und zu
der fränkischen Herrenschicht gehörten, nicht aber zum altsächsischen
Stammesadel.
Der letzte dieses Hauses in Wehrstedt, Christoph von Steinberg, hat in
Wehrstedt die Reformation gefördert. Er wird es gewesen sein, der 1521,
nach dem Reichstag zu Worms, zu den Rittern gehörte, die Martin Luther
zur Wartburg flüchten halfen. 1542 war Christoph von Steinberg Führer
einer Abteilung der hessischen Truppen, die den katholischen Herzog
Heinrich d. J. von Braunschweig aus seinem Lande vertrieben; er wurde
darauf in Wolfenbüttel Statthalter des Landgrafen Philipp von Hessen.
Als Marschall des Kurfürsten von Sachsen führte er die kursächsische
Reiterei nach Ingolstadt. Nach der Schlacht bei Mühlberg (1547)
erwirkte Herzog Heinrich d. J. gegen Christoph von Steinberg die
Reichsacht. Aber 1552 erhielt er seine Besitzungen zurück, und ein Jahr
später wurde er mit 5000 Talern entschädigt.
Von 1523 bis 1643 gehörte Wehrstedt zum Herzogtum Braunschweig und nahm
deshalb den evangelischen Glauben an. Die Wehrstedter Geistlichen
hatten vor den herzogl. braunschweigischen Reformatoren
Generalsuperintendent Corimius und Bugenhagen aus Wit-tenberg ein
Examen in der neuen Glaubenslehre abzulegen. Später kamen Visitatoren
nach Wehrstedt, um zu sehen, wie es mit dem neuen Glauben bestellt war.
Das war am 12. Okt. 1542. Ein Protokoll dieses Besuches ist noch
vorhanden, in dem auch Christoph von Steinberg genannt wird.
Er hat uns eine weitere Erinnerung an der jetzigen, im 18. Jahrhundert
erneuerten Kirche hinterlassen. Am älteren Turm findet sich über der
Spitzbogentür ein Inschriftstein mit dem Wappen derer von Steinberg,
das mit den Buchstaben C. V. S. bezeichnet ist, die in der Hohlkehle
des den Stein einfassenden Gesimses stehen. Die das Wappen umgebende,
zum Teil verwitterte Inschrift lautet:
In dem namen godes des heren Stait dat gebuwe dere va werstede dorch godes gnade un macht wert alle dink vullbracht
Auch das Haus Steinberg (Almstedter Linie) nahm in Wehrstedt ein Ende
als die männlichen Erben ausblieben. Der Kriegsheld Christoph Steinberg
starb am 16. Jan. 1570 als Rat des Herzogs Julius in Braunschweig.
Seine unglückliche Tochter ist bekannt als das "güldene Kind", dem die
Wehrstedter in der Sage das Andenken bewahrten Die Domherren sollen sie
gezwungen haben ins Derneburger Kloster einzutreten. Dort mußte das
Edelfräulein Keuschheit und Armut geloben, mit anderen Worten auf ihr
Erbe verzichten. Das muß bitter aewesen sein, denn ihr Vater hätte ihr
unvorstellbare Reichtümer hinterlassen. Diese Klosterlegende ist sicher
phantastische Zutat, denn der Vater war doch evangelisch und Wehrstedt
braunschweigisch.
Die gräflichen Verwandten in Bodenburg dagegen haben noch lange ihren Reichtum genossen.
Über Christoph von Steinberg ist viel und schon vor 200 Jahren
geschrieben worden. Als Quelle erscheint hier ein zeitgenössischer Text
von Jacob David Köhler, Göttingen, aus dem Jahre 1753:
"Die besonderen Verdienste Herrn Christophs von Steinberg um die reine evangelische Lehre
Unter so vielen edlen Herren von Steinberg, welche sich besonders um
die Erhaltung und Ausbreitung der reinen evangelischen Lehre
hochverdient gemacht haben ist gewiß Herr Christoph von Steinberg, der
Obriste, besonders merkwürdig. Es war dieser Herr aus dem Hause
Almstedt, des tapferen Herr Hans von Steinberg Sohn, welcher eine von
Schwiechelt zur Gemahlin gehabt. . . "
Wer da weiß, wie viele Gefahren sich die ersten Bekenner der reinen
evangelischen Lehre ausgesetzt haben, und wie vielen Dank man dem
Andenken derer schuldig ist, welche zuerst dieselbe unterstützen,
verteidigen und beschützen helfen, der wird leichtlich gestehen müssen,
daß da Herr Christoph von Steinberg, mit unter der Zahl dererselben
gewesen, er also nicht geringe Verdienste um die reine evangelische
Lehre habe. Doch! Haab und Gut, Ehre und Ansehen, Leib und Leben um der
Wahrheit Willen aufzusetzen, gereichet zwar derselben, zu nicht
geringer Beförderung und ist unstreitg ein großer Verdienst, aber eben
so vorzüglich, ja wohl noch nützlicher und größer ist es, durch kluge
Anstalten und durch Mühe, Fleiß und Kosten die Erkenntnis der Wahrheit
auszubreiten, zu befördern und allgemein zu
machen. Und auch in Ansehung dessen, sind die Verdienste Herrn
Christophs von Steinberg ausnehmend groß. Er leistete vielen
Kirchendienern und Schulen große Hülfe und Beysteuer. Er nahm sich
sonderlich der vertriebenen evangelischen Prediger treulich an, und
zeigte sich gleich von Anfang der Ausbreitung der reinen Lehre als
einen rechten Vater und Pfleger der evangelischen Kirche. Überdies so
sehr es der reinen Lehre nützlich ist, wenn die Lehrer in derselben
unterstützet und die Schulen gebessert und besorget werden, so heilsam
ist es auch für dieselbe, wo gute die reine Erkenntnis Gottes und ein
wahres und thätiges Christentum zu ihren Endzweck habende Bücher,
gemeinnütziger gemachet werden. Und auch hierinn hat sich unser Herr
von Steinberg besonders verdient gemacht. Die Druckereyen, waren zu der
damaligen Zeit noch nicht so gemein, und die Verleger noch nicht so
häufig. Es wurden also schwere Kosten erfordert, ein großes und
nützliches Werk durch den Druck gemein zu machen ...
Die obenstehende alte Karte von 1686 zeigt Wehrstedt idyllisch umgeben
von Wäldern und Hügeln, in denen die Herren von Steinberg (Bodenburg)
zu herrschaftlicher Jagd zu blasen pflegten.
Verlöschen des Geschlechts
Unser Herr von Steinberg hatte seinen Sitz, auf dem Hause Summerseburq
im Erzstifft Magdeburg, welches ihm und Herrn Johann von Steinbera der
Kardinal Albrecht, Kurfürst von Mainz und Erzbischof von
Magdeburg . . .
jedoch ohne Beystimmung der Kapitels . . . 1538 verpfändet und würk-
lich eingetragen hatte, . . .
In seinem Alter kam Herr Christoph von Steinberg an Herzog Julii
Hof zu Braunschweig und wurde dessen Rath.
Endlich beschloß er sein ruhmvolles Leben a 1570 und wurde zu
Braunschweig in der St. Martins-Kirche begraben.
, . . . daß er das Steinbergsche Wappen, mit einem gekrönten und mit
einem Pfauenschwanz gezierten Pfeiler auf dem Helm, vermehret ge-
führet, welche Vermehrung vielleicht sein Herr Vater vom Kaiser Maxi-
milian schon erhalten hat."
D. Behrens schreibt über Christoph von Steinberg:
". . . wie er dem ein wohl bemittelter und gutthätiger Kavallier ge-
wesen sein soll . "
Diese Anna von Steinberg wurde zu ihrer Zeit wegen ihres Reichtums das
"güldene Kind" genennet und es ist leicht zu erachten, daß sich viele
um dieselbe werden beworben haben. Sie vermählete sich
auch zu dreyenmahlen."
Philippi Melanchton schreibt:
"Ac scripsi nuper ad Nobilem virum et virtute präestantem Christophorum
Steinbergium, me allocutum esse eos, qui sumptus prebeut"
Die Familie von Stopler
Am 5. Februar 1572 wurde zunächst Fritz von der Schulenburg Inhaber des
Patronats der Kirche und Besitzer des Edelhofes. Weil auch er keine
männlichen Leibeserben hatte, wurde Wehrstedt nach dessen "Abfall oder
endlichen rechtlichen Erörterung im fürstlich braunschweigischen
Hofgericht . . . Wilhelm Stoplers sei. männlichen Erben von
Illustrissimo zugesprochen."
Mit Wolfhart v. Stopler, dem Förderer der Kirche, sind Ausbau und
Umgestaltung der Kirche verknüpft. Im Jahre 1720 wurde auf von Stoplers
und der Kirche Kosten die Kirche "von Grund aus woll und glücklich
erbauet". Die Glocke, die heute noch den Wehrstedter Gläubigen schlägt,
trägt seinen und seiner Frau Mette von der Liet Namen. Wolfhart war der
Sohn des herzoglich braunschweigischen Kanzlers Dr. Johann Stopler, der
schon vom Herzog von Braunschweig Lechstedt als Lehen erhalten hatte.
Wen nimmt es wunder, daß auch bald
seine Söhne mit herzoglichen Gütern in unserer Gegend reich bedacht
wurden. Mette von der Liet entstammte einer "uralten adeligen Familie
im Herzogtum Bremen" und konnte einen Erzbischof aus Bremen, einen
Bürgermeister von Bremen und einen Notar Heinrichs des Löwen zu ihren
Verwandten zählen.
Die Familie von Stopler hatte noch die Güter Binder und Lechstedt und
besaß noch mehrere Meierhöfe. Im Jahre 1771 wurde sie wegen ihrer
finanziellen Lage aus ihren Gütern gewiesen, gelangte aber nach langen
Prozessen wieder in ihren Wehrstedter Besitz.
Als letzter seines Geschlechts starb Leopold von Stopler am 5. Juni 1816.
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