Das Gut
Vom ganzen Komplex des Rittergutes oder Edelhofes sind weder Pläne
erhalten, noch ist aus der Erinnerung etwas überliefert geblieben. Eine
Landkarte von 1840 zeigt nur ungenau eine größere Anzahl Gebäude an der
Ostseite des Grundstückes. Die Größe dieser abgebildeten Gebäude könnte
auf ein Zehnthaus schließen lassen. Da weder Bildmaterial noch
Kartenwerke von unserer Burg erhalten geblieben sind, sei hier eine
kleine Vorbesinnung gegeben,um den Begriff "Burg" zu klären.
Eine wissenschaftliche Arbeit von Dieter Rosenthal über Wasserburgen in der Norddeutschen Tiefebene stellt
folgendes fest:
- Derartige Burgen des "niederen Adels" waren immer quadratisch angelegt, wegen der günstigen Verteidigung
- Sie waren nur teilweise künstlich angelegt - z. B. mit Wassergraben
- Sie waren "tunlichst" einfach und
regelmäßig gebaut, hatten keine dicken und festen Mauern,
wie oft in den Märchenbüchern
- Sie hatten keine ausgeprägten Verteidigungsseiten
- Der schützende, bergende (bergen - Burg) Außenring wurde durch
die Gebäude gebildet: Stallungen, Herrenhaus, Zehntscheune, Brauhaus,
Gesindehaus . . .
- Der Burggraben wurde meist nach wenigen Jahrzehnten wieder
zugeschüttet, denn stehendes Wasser stank erbärmlich. Eine umgebende
sumpfige Niederung erfüllte denselben Zweck.
- Ecktürme (Berchfrit) gab es kaum, da dieses Modell erst von Kreuzfahrern mitgebracht wurde.
- Der Zufahrtsweg = die "Burgstraße" war als Knüppeldamm
ausgelegt und kam grundsätzlich von links. So mußte ein ankommender
Ritter seine "offene Seite" zeigen, denn seinen Schild trug er links.
- Diese nicht voll entwickelten Burgen werden in alten Urkunden nicht "castrum" genannt.
Das ehemalige Herrenhaus des Gutes. Fotografie aus dem Jahre 1911
Diese Voraussetzungen waren bei der Wehrstedter Burg alle gegeben. Die
Burgstraße kam von der Schmiede her als Knüppeldamm durch feuchte
Herrenwiese und durch über die Lamme. Die Burg hielt also auch Fremde,
Eindringlinge vom Dorf ab. Knüppel als Straßenunterbau sind bei
Erdarbeiten nicht nur am Schlagbaum über dem Uitschenpump, sondern auch
in der Schmiedestraße kurz vorm Gut gefunden worden. Der Burggraben
soll allerdings erst vor ca. 100 Jahren zugeschüttet worden sein. Weil
er kein stehendes Gewässer war, sondern von der Quelle hinterm
Herrenhaus gespeist wurde und einen Abfluß zum Mühlengraben hatte, ist
er kein übelriechendes Ärgernis gewesen. Er war wohl mehr oder minder
Fischteich und Viehtränke.
In den letzten 60 Jahren ist die als Brunnen gefaßte Quelle noch so
ergiebig gewesen, daß im Überlauf ständig Wasser abfloß. Erst in den
letzten 10 Jahren scheint der Grundwasserspiegel in der Herrenwiese
unterhalb des Überlaufs (ca. 80 cm) zu liegen.
Von den Gebäuden wurde das Gesindehaus vor ca. 120 Jahren auf Abbruch
an einen Zimmermeister nach Sellenstedt verkauft. Das Brauhaus und das
Torhaus wurden auch auf Abbruch verkauft und unterm Ziegenberg wieder
aufgebaut (Nr. 64, 65). Die Scheune und die Stallungen des Gutes
verfielen nach 1816, dem Aussterben derer von Stopler. Denn die Königl.
Hann. Klosterkammer bewirtschaftete den Hof nicht selbst, sondern
verpachtete ihn an K. Scharf von 1816 bis 1837 und von 1837 bis 1849 an
Max Heinemann. Dann gab es keinen Klosterpächter mehr, sondern in den
nächsten 12 Jahren wurden die Ländereien an eine Wehrstedter
Pächtergenossenschaft verpachtet. Ab 1861 wurde immer wieder auf 12
Jahre an Wehrstedter Bauern verpachtet. 1909 wurden auch einige
Flurstücke - die gesamte Klosterwiese, die Äcker im Kuhkamp und der
Kuhföhre, die Lappenwiese - für etwa 60.000 Mark verkauft.
Da das ehem. Herrenhaus auf dem "Klosterhofe" leerstand, wurde dort von
1849 bis 1879 eine Oberförsterei eingerichtet. Als dann das Grundstück
an J. J. Schrader verkauft wurde, zog der Förster in das ehem.
Witwenhaus. Es soll bis dahin "Krug" gewesen sein und wird in 2 Belegen
als Klosterkrug bezeichnet.
Auch dieses Witwenhaus in der Försterstraße 1 wurde der Forstverwaltung
überstellt und 1967 verkauft. Die Mühle und die drei Tagelohnerhäuser
am Uitschenpump wurden ebenfalls verkauft, außerdem die um 1800 erbaute
alte Schule und das Pfarrwitwenhaus (An der Kirche Nr. 14, 16)
Das 2,85 ha große Grundstück an der ehemaligen Burg mit dem Herrenhaus
kaufte 1879 Kotsaß Johann Jacob Schrader für 17.000 Mark. Die der
Klosterkammer verbliebenen Ländereien wurden "für billiges Geld"
verpachtet.
Der 1842 geborene Wilhelm Vespermann konnte sich später noch erinnern,
daß am Hofeingang ein Pranger gewesen ist. Kette und Halseisen waren an
der Mauer, also neben der Toreinfahrt, erhalten geblieben. In
Lamspringe ist der Pranger in dieser Form heute noch zu sehen. Da die
niedere Gerichtsbarkeit beim Gutsherrn lag, ist dieses Relikt durchaus
möglich.
Im ehemaligen Herrenhaus erinnert nichts mehr an adlige Zeiten. Da die
von Stoplers ohne direkte Erben waren, ist wohl von den Verwandten
alles persönliche Hab und Gut abgeholt worden, ehe Grundstück und
Gebäude an die Königl. Hann. Klosterkammer fielen. Dann wohnten bis
1879 zeitweilig Amtleute im Hause (Beamte der Klosterkammer). Und als
1879 der Kotsaß J. J. Schrader das Gut kaufte, haben nur noch die
leeren Gebäude gestanden. Jedenfalls ist in dem Kaufvertrag extra
vermerkt, daß im Obergeschoß der Ofen im Saal, 2 weitere Öfen in den
Zimmern und ein Obstdarreofen mit Horden, sowie die Glocke über der
vorderen Hausthür und die Vorrichtung zum Wasserschöpfen südlich am
Wohnhaus mitverkauft" wurden.
Der Kloster-Amtmann v. Bülow von der Königl Kloster-Cammer zu Hannover
hat laut Kaufkontracturkunde in Gegenwart der Herren "Comparenten"
Anbauer Jacob Schrader
Kotsaß Conrad Leinemann
Kotsaß August Keitel
Kotsaß Friedrich Ohms
Kotsaß Heinrich Krome
Kotsaß Fritz Jordan
am 29. Nov. 1879 sieben Parzellen der klösterlichen Grundstücke mit
8,8812 Hektaren Größe für den Preis von 42.000 Mark verkauft.
Einige kurze Erläuterungen zur Klosterkammer:
Die Klosterkammer in Hannover wurde am 8. 5. 1818 als
öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet und hat ein beinahe immenses
Vermögen: 28000 Hektar Forsten, 12.000 Hektar landwirtsch. Nutzfläche
und 6000 Grundstücke Bauland, als Erbbauverträge vergeben. Sie
unterhält 5 besitzeigene Frauenklöster, 11 Forstämter und 22 Güter.
Der Jahresetat dieser Stiftung: Etwa 14 Millionen DM. Das
erwirtschaftete Geld fließt als verlorene Zuschüsse in die Renovierung
oder Wiederinstandsetzung von kirchl. u. profanen Kultur-Denkmälern.
Zur Erhaltung einiger kirchl. Bauten ist sie auch vertraglich
verpflichtet, darunter 28 Kirchen und die noch erhaltenen Klöster.
Diese Stiftung ist im Westfäl. Frieden von 1648 und in der
Säkularisation von 1803 begründet: Alles Kirchenland ging in den Besitz
der weltlichen Machthaber über. Die Landesherren vergrößerten beide
Male ihren Privatbesitz. Nur die beiden Weifenfürsten
(Calenberg-Grubenhagen, Braunschweig-Lüneburg) steckten dieses Vermögen
nicht in ihre Privatschatulle, sondern brachten diese Kirchengüter in eine Stiftung ein.
Am 5. 5.1816 wird nach dem Tode des letzten v. Stopler auch sein Besitz
in Wehrstedt, Binder u. Lechstedt in diese Stiftung eingebracht. Seine
Verpflichtungen als ehemaliger Kirchenpatron übernimmt die
Klosterkammer auch mit. Bis 1848 wird unser Gut von einem
"Kloster-Amtmann" weiter bewirtschaftet, dann verpachtet, 1879
verkauft.
"Der Kaufpreis beträgt buchstäblich Zwei und Vierzig Tausend Mark und
muß vom 1. Dezember 1879 am 4. Juny 1880 bei der Königlichen
Haupt-Kloster-Casse in Hannover frei eingezahlt werden."
Wie das Gesinde lebte - eine Tagebuch- Aufzeichnung aus dem 30 jährigen Krieg
Der Gutsbesitzer Börries v. Wrisberg hat im Jahre 1634 in seinem
Tagebuch notiert, wie "das Volk zu Wrisbergholzen gespeiset und gelohnt
wird":
Jeder Diener und Dienerin uffm Hoffe bekompt alle Tage 3 Mahl-
zeiten und daneben 24 Knobben. Aus 2 Pfund Teig werden ge-
backen 22 Knobben. Item bekompt jeder zur Mahlzeit 3 Lot But-
ter. Wenn sie Speck bekommen, müssen 5 Schmicke Speck wie-
gen 1 Pfund . . . Zur Vorkost wird Kohl, Erbsen, Butter, Butter-
milch, auch Sauerkraut und Salat mit Essig und ein Bißlein Speck
gegeben . .
Einem Ackerknecht werden . . . des Jahrs ... zu Lohn gegeben
12 Taler, einem Mittelknecht 10 Taler, einem Ochsenknecht von
Petri bis Martini (= 29. 6. bis 11. 11.) 12 Taler. Dem Drescher gibt
(der Vogt A. Papen) in der Ernte den 20. Himpten . . . Hier . .
kriegt jede Magd des Jahrs 1 Pfund Wolle. Zu Wesseln . . . krie-
gen die Köchin und die Mägde jede . . . ihre Leinwand. Die Mei-
ersche (= Frau des Verwalters, Vogts) kriegt ebensoviel Lein-
wand als die Mägde. Der arme Heinrich bekommt des Jahrs 2
Hemde, daneben Strümpfe, soviel er nötig hat . . .
Den ersten Tag im Fastelabend kriegt das Volk wie am Sonntag.
Den Fasteldienstag bekommen sie gesotteene Mettwürste . .
Stillen Freitag (Karfreitag) bekommt das Hofvolk nur mittags
jeder 1 Hering und sonst nichts.
Die Kuhirten kriegen Pfingsten 15 Eier, 15 Käse und ein Weiß-
brot.
Am Martensabend bekommt (das Gesinde) allmiteinander Gän-
sefleisch. Es werden allsdann geschlachtet 5 fette Gänse. Jeder
bekommt eine Kanne Bier. Der Superintendent bekommt auch
eine Gans.
Am Donnerstag vor Faßnacht bekommt (er) ... 1 Schinken und
6 Weißbrote oder Stuten. Der Opfermann kriegt 6 Schmicke
Speck und 3 Stuten.
Vom Schlachten bekommt der Pfarrherr 1 frische Suppe, 1 Rot-
wurst und 1 Knappwurst. Im Armenhause bekommen sie 2 große
Becken voll Suppe und jeder 1 frische Knappwurst.
Am Hagelfeiertag werden der Brotkorb voller Knobben samt 1
Schock Käse (= 60 Stück) und 3 große lange Mettwürste unter
die Armen verteilt ...
Da Herr B. v. Wrisberg außer in Wrisbergholzen auch noch in Wesseln ein
Gut hatte, könnten seine Angaben für die Gegend allgemein
"representativ" sein, also auch für das Gesinde auf dem Wehrstedter Gut
zutreffen.
Die Revierförsterei Wehrstedt
Der sogenannte Klosterforst Wehrstedt ist 163,247 ha groß gewesen. Das
sind nach der alten Berechnung 622,8 hannov. Morgen. Davon sind aber
nur 156 ha mit Wald bestanden, 7,247 ha sind Felder gewesen. Die Größe
dieses Staatsforstes hat sich seit Jahrhunderten nicht geändert.
Nur sind die Besitzverhältnisse geändert worden, denn es ist bis 1879
der Wald gewesen, der zum Rittergut gehörte und auch von dort
bewirtschaftet wurde. Nach dem Tod des Leopold v. Stopler geht mit dem
Gut und den 345 Morgen Ländereien auch der Wald in den Besitz der
Königl. Klosterkammer Hannover über. 1879 wird dieser Wald an den
Fiskus ausgetauscht, geht also als Staatsforst in den Besitz des
Königreichs Preußen über.
Da nach 1816, als das Gut an die Klosterkammer kam, der ges. Betrieb
von einem "Klosteramtmann" bewirtschaftet wurde, wird der auch den
forstwirtschaftlichen Teil mit verwaltet haben. Erst als 1848 die
landwirtschaftlichen Ländereien des Gutes an die Wehrstedter Bauern
verpachtet wurden, richtete die Klosterkammer für den verbliebenen
Forstbetrieb eine Oberförsterei auf dem Gut ein. Die Gebäude standen
nach dem Fortzug des Amtmannes sowieso leer. Diese Oberförsterei
bestand bis 1879 auf dem Gut. Als der Kotsaß Schrader das Grundstück
kaufte, war ein Jahr zuvor der Wald zu einem Staatsforst geworden und
der Förster in die Förstergasse gezogen. Dort war das ehemalige Witwen-
oder Altenteil des Gutes zum Forsthaus geworden.
Dieses wunderschöne Fachwerk-Forsthaus wurde allerdings vor 1878 als
"Krug" bezeichnet. Da das Gut über ein eigenes Brauhaus verfügte ist es
möglich, daß das ungenutzte Witwenhaus als Gutsschänke oder Klosterkrug
Verwendung fand. Das Haus in der Förstergasse blieb 1879 bis 1967
Forsthaus, d. h. Staatl. Revierförsterei Wehrstedt.
Das alte Forsthaus, ehemaliger Klosterkrug
Unsere Wehrstedter Förster unterstanden im Laufe der letzten 100
Jahre verschiedenen Oberförstereien/Forstämtern:
ab 1878 Wendhausen
ab 1928 Peine
ab 1938 Diekholzen
ab 1939 Hainberg/Bockenem
ab 1942 Diekholzen
Von den Wehrstedter Förstern sind noch bekannt:
Klosterförster Bruns ab 1817
Oberförster Davids ab 1848
Königl Revier-Förster Lange ab 1879
Königl. Revier-Förster Holland ab 1908
Revierförster Schultchen ab 1930
Revierförster Brunke ab 1945
Revierförster Heidecke ab 1963
Ein besonderes "Original" muß der Förster Lange gewesen sein. Er war
der Schwiegersohn des Pastors Zenker und wohnte noch einige Jahre auf
dem Gut zur Miete, als er nach seiner Pensionierung das Forsthaus
seinem Nachfolger räumen mußte. Bekannt war er unter dem Namen "Ide
Deuwel", wegen seiner stehenden Redewendung:
" de Deuwel!" Was hochdeutsch so viel heißen würde wie: " Der Teufel soll . . . !"
Bei Försters
Der jetzige Revierförster betreut neben den 623 Morgen Staatsforst
seines Reviers auch noch die Bauernwälder von 7 Dörfern. Sie gehören
sieben Forstgenossenschaften, d. h. Körperschaften öffentlichen Rechts.
Die Wehrstedter Bauern haben ihre Waldteile nicht zu einem
Genossenschaftsforst zusammengeschlossen, sondern als Einzelteile in
Privatbesitz belassen. Dieser Privatwald steht unter der Aufsicht und
Betreuung der Landwirfschaftskammer.
Die Wehrstedter Wälder bestehen etwa zu 75% aus Laubwald und zu 25% aus Nadelwald.
Im Jahre 1967 zog unser Förster in das neue Forstdienstgebäude am
Waldrand der Schafweide. Das alte Forsthaus wurde an Privat verkauft.
Die Kirche zu Wehrstedt
In der Zeit nach der Reformation und den Schrecken des 30jährigen
Krieges machten sich viele Kirchengemeinden in Deutschland an die
Instandsetzung ihrer Gotteshäuser. Ob die Wehrstedter Kirche unter dem
Kriegswüten stark gelitten hat, wissen wir nicht. Vielleicht sollte
auch die von dem katholischen Kult übernommene mittelalterliche Kirche
der protestantischen Lehre angepaßt werden. Die Kirche wurde
vergrößert, da dem protestantischen Pfarrgottesdienst vor allem daran
lag, einer möglichst großen Gemeinde Gelegenheit zum Anhören der
Predigt zu geben. Eine feste Bestuhlung wurde eingebaut, mit freiem
Blick zur Kanzel, um ein gutes Hören der Predigt zu ermöglichen.
a) Beschreibung der Evangelischen Kirche und ihrer Kostbarkeiten:
Die rechteckige Saalkirche mit Brettertonne und rechteckigen Fenstern
ist im 18. Jahrhundert mit Verschiebung der Achse nach Süden an den
alten aus Bruchsteinen mit Quaderecken errichteten Turm angebaut, der,
vermutlich des obersten Geschosses beraubt, in den Umfassungswänden nur
schmale Lichtschlitze mit abgefaßten Kanten enthält. Diese
Lichtschlitze im Wehrturm waren Schießscharten mit Vertiefungen im
Sandstein, in die die Gewehrläufe gelegt wurden. Die Glocken sind in
dem mit kleinen Schallhäuschen versehenen achtseitigen Helm
untergebracht. In der Nordwand des Turmes befindet sich die
spitzbogige, von Rundstab und Kehle eingefaßte Eingangstür, die auf dem
Schlußstein die Jahreszahl 1566 trägt. Über dem Schlußstein mit der
Jahreszahl 1566 befindet sich eine Tafel mit Wappen. Sie erinnert an
den damaligen Patron Christoph von Steinberg. Der Wortlaut:
In den namen godes des Herrn stait (steht)
dut gebuwe (Gebäude) dere vam Werstede.
Dorch godes gnade un macht wert alle
dink (Dinge) vollbracht.
Zehn Steinstufen führten außen zu der in der östlichen Chorwand
befindlichen Tür hinauf, über welcher ein Stein mit zwei Wappen und der
Beischrift: "E. L. Stopler Anno 1716 A. J. Guldenfeld" eingemauert ist.
(Die Guldenfelds kamen aus Riga und waren dort Ratsherren. Im
30jährigen Krieg waren sie in den schwedischen Adelsstand erhoben
worden.) Die Tür führte in die sogenannte Gutsprieche, in der die
Herren des Dorfes standesgemäß den Gottesdiensten beiwohnten.
Bei der gründlichen Renovierung 1971/72 wurden diese Stufen zur
"Herrenpriech" abgetragen und die Tür zugemauert. Die Brettertonne des
Schiffes war weiß gestrichen und mit blau gestrichenen Lattenrippen
versehen, dann war sie grau vermalt. Seit 1971 haben die Wände einen
ockerfarbenen Anstrich, die Bänke sind
altweiß. Die Fenster haben noch die alte Bleiverglasung und darin 16
sehr gut in schwarz gemalte Wappenscheiben von 1716 mit den Namen der
verschiedenen Mitglieder der Familie von Stopler.
Der Altar nimmt mit der hohen geschnitzten Rückwand und den seitlichen
überdeckten Emporen die ganze Ostseite der Kirche ein. In der Predella
ist in öl gemalt das Abendmahl dargestellt, darüber im Hauptbild
zwischen zwei gewundenen Säulen und den Figuren Moses und Johannes des
Evangelisten die Kreuzigungsgruppe, im oberen Aufsatz die Grablegung
Christi zwischen seitlichem Schnitzwerk. Als krönende Figur steht
obenauf Christus mit der Siegesfahne. 1971 wurde der Altar in den
ursprünglichen Farben renoviert.
Die reichgeschnitzte Kanzel stammt von dem Bildhauer Christoph Dehnen. Neben der Jahreszahl 1665 stehen die
Buchstaben DSPF = Christoph Dehnen, Sculptur, Praedicationem Fecit {=
Christoph Dehnen, Bildhauer, fertigte 1665 die Kanzel an.) Sie ruht auf
der Figur des Moses und ist an den Flächen der Brüstung mit den kleinen
Figuren Christi und der 4 Evangelisten geschmückt, die ebenso wie die
zierlichen Docken an den Ecken auf Engelskonsolen stehen.
Die Grundfarbe der Kanzel ist schwarz.
An dem siebenseitigen Schalldeckel, von dessen Unterseite die Taube
herabhängt, sind abwechselnd Wappen und Engelsköpfchen als Schmuck
angebracht. Der messingene Lichthalter der Kanzel trägt die Jahreszahl
1739. Er ist seit 1971 als Schmuckstück unterm Turm, am Eingang
angebracht.
Unter der Kanzel trug die Sakristeiwand ein Doppelwappen mit den
Buchstaben A-G-L-v-S. - J-W-E-v-B. Das Wappen befindet sich seit 1971
an der Herrenprieche hinter dem Altar.
Altarleuchten von 24 cm Höhe sind auf dem breiten Fuß von 17 cm
Durchmesser mit gravierten Blumenranken verziert, zwei größere von 30
cm Höhe in Dockenform tragen Namen und die Jahreszahl 1701.
Der bronzene Kronleuchter mit zweimal sechs Armen trägt an der
Kugel des mit dem Doppeladler gekrönten Schaftes die Namen:
"H. Johan Beringer Lucia Sutmans".
Der Doppeladler weist ins habsburgische Österreich; sollte der
Kronleuchter ein Beutestück aus dem 30 jährigen Kriege sein ? H. Johan
Beringer war Pfarrer von Wehrstedt in jenen wirren Jahren.
Kronleuchter
Von den zwei Glocken ist die kleinere von 86 cm Durchmesser mit dem
Bild der Madonna, von einer Strahlenglorie umgeben, und darunter mit
dem nebenstehenden Gießerzeichen versehen.
Am Hals, über dem feinen Zierbande, liest man in gotischen Kleinbuchstaben: Härmen koster me fecit anno dui m. d. x. ii o/ rex glorie criste veni cum pace
(Härmen Koster goß mich im Jahre des Herrn 1512. Oh, Ehrenkönig,
Christus komme mit Frieden) Härmen Koster war ein bekannter
Glockengießermeister des Michaelisklosters zu Hildesheim.
Die zweite Glocke haben Wolfhart von Stopler und Mette von dei Leydt
von dem Gießermeister Diderich Mente in Hildesheim gießer lassen. Sie
trägt die Wappen der Stifter und die Inschriften:
WOLFHART STOPLER METTE VON DER LEYDT HABEN MICH DURCH DIDERICH MENTEN GIESN LASN.
ANO 1614 PSALM XCV KOMPT HERZV
(Psalm 95, Vers 1 lautet: Kommet herzu, laßt uns dem Herrn frohlokken, und jauchzen dem Hort unsres Heils!)
Diese Glocke der Andreaskirche zu Wehrstedt hat einen Durchmesser von 102 cm, eine Schlagringstärke von 8,2 cm
Ein silbervergoldeter Kelch, 22 cm hoch, mit achteckigem Schaft, hat
auf dem Achtpaßfuß ein aufgeheftetes Kruzifix, Namensinschrift und die
Jahreszahl 1752. M. C. Wiehen, geb. Alb. 1752 - (Maria Catherina Wichen
geb. Albrecht, * 13. 5. 1709, +20. 1. 1771)
Ein zweiter, silberner Kelch von 19 cm Höhe zeigt eine Nachahmung gotischer Formen. Er trägt auf dem sechsteiligen
Fuß ein Wappen und den Namen Wulfhart Diederich von Stopler.
Ein dritter Kelch, aus Zinn gearbeitet, ist der älteste und hat die Inschrift M. D. Samtleben. 1749.
Der von der Decke herabhängende Taufengel befindet sich seit 1971 nicht
mehr über dem Mittelgang. Er wurde 1706 von Wilhelm Friedrich Stopler
"in die Kirche verehret", hängt jetzt aber über dem romanischen
Taufstein im Altarraum.
Der Taufstein wird schon 1693 in einer Kirchenchronik genannt. Der
schon genannte Taufengel muß ihn 1706 in seiner Aufgabe abgelöst haben,
sonst hätte der Taufstein nicht ca. 250 Jahre im Pfarrgarten als
Hühnerfutterbehältnis dienen können.
Taufstein
b) Diebe In der Kirche
Kurz nach 1700 sind mehrfach Altargeräte aus dem Gotteshaus gestohlen
worden. Der erste Einbruch ist aus dem Jahr 1704 überliefert. Schon im
Jahr danach wurden wiederum Altarbekleidung und Geräte gestohlen. Die
Einbrecher waren "bey dem Fenster bey dem Gewölbe hineingebrochen".
Dann hat 1709 eine "schlimme Bande mit einem starken Baum das Eisen
sampt dem Steine aus der Mauer gebrochen".
Das folgende Foto zeigt die schmiedeeiserne Fenstervergitterung, die dann angebracht wurde. Bis zum Jahre
1730 wurden die Altargeräte durch Schenkungen wieder vervollständigt.
Über die Diebe und ihre Bestrafung meldet die Kirchenchronik nichts.
Auch die Motive der Einbrecher sind nicht bekannt. Unchristlich oder
kirchenfeindlich waren die Leute damals im allgemeinen nicht. Ob am
Ende die Not für einige zu groß war ?
c) Die Namen der Wehrstedter Pastoren ab 1568:
Namen derer, die im Mittelalter den Pfarrdienst an der Heimatkirche
versahen, sind verklungen. Keine Urkunde weiß von ihnen. Selbst der
Pfarrer, dem die Visitatoren bei der Einführung der Reformation Lob
zollten, ist namentlich nicht bekannt. Erst 1568 beginnt die Reihe der
Wehrstedter Pastoren, die sich ununterbrochen verfolgen läßt. Es sind:
1. Melchior Hencke, 1568 und 1579 genannt. Er versah auch den Pfarrdienst in Almstedt. Seine Nachfolger von
1579-1753 verwalteten zugleich das Pfarramt in Upstedt. Auf Pastor Hencke folgte
2. Joachim Grußendorf von 1579-1606. Er stammte aus dem Lüne-burgischen
und war wahrscheinlich ein Sohn des Pfarrers Johann Grußendorf in Müden
a. d. Aller. Zunächst war er in Woltwiesche tätig, wo er verdrängt
wurde. Bis 1579 stand er im Pfarramt in Neindorf.
3. Johann Berninger von 1606-1644. Er war aus Arnstadt gebürtig. Daher
wurde er als Arnstadensis bezeichnet. Mit der Gemeinde erlebte er die
schlimmsten Jahre des 30 jährigen Krieges. Von Wehrstedt ging Berninger
nach Lechstedt.
4. Johann Bergmann von 1644-1667. Aus Hildesheim war er gebürtig, wie
die Bezeichnung "Hildesiensis" verrät. Wegen Untauglichkeit wurde er
amtsenthoben.
5. Hermann Christoph Baumeister von 1667-1676.
6. Johann Christoph Koch von 1677-1719. Er wurde 1650 zu Aisleben in
Sachsen geboren und starb am 28. 4. 1719 in Wehrstedt. In seinen ersten
Amtsjahren legte er den Grund zu dem Kirchenarchiv, 1686 erfogten die
ersten Kirchenbucheintragungen. Darum hat sein Bild im Gotteshause
einen verdienten Platz. Er war
42 Jahre Pastor in Wehrstedt.
7. Andreas Hobein von 1719-1731. Im Jahre 1682 wurde er geboren in
Wehrstedt starb er 1731. Mit dem Patron v. Stopler trug Hobein die
Sorgen um den Umbau der Kirche. Ein schweres Geschick ereilte ihn durch
den Tod seiner 29 Jahrigen Ehefrau, wie die Totenklage im Kirchenbuche
erkennen läßt.
Andreas Hobein (1730)
8. Johann Levin Wiehen von 1732-1753. Im Jahre 1697 wurde er in Garmissen geboren, am 22. 11. 1753 starb er in Wehrstedt.
9. Christoph Wecken von 1754-1799. In Wrisbergholzen, wo sein Vater das
Pfarramt verwaltete, wurde Wecken geboren. Er starb in Wehrstedt am 17.
4. 1799.
10. Franz Heinrich August Wecken von 1799-1811. Als Sohn seines Vorgängers erblickte er in Wehrstedt
am 7. 3. 1774 das Licht der Welt. Das Pfarramt in Wehrstedt vertauschte er mit dem in Kl. Mahner.
11. Johann Friedrich Karl Meyer von 1811-1821. Am 24. 4. 1778 wurde er
als Sohn eines Rechnungsführers an der Bergfaktorei in Goslar geboren.
Dort stand er vor Übernahme des Pfarramts in Wehrstedt im Schuldienst.
Von hier ging Meyer nach Bissendorf, 1826 weiter nach Eistorf und von
dort 1839 nach Dornten.
12. Karl Gehrich von 1821-1834. Am 4. 11.1791 wurde er als Sohn eines
Rektors in Goslar geboren. Von Wehrstedt ging er nach Hemmendorf, wo er
1856 gestorben ist.
13. Ernst Levin Eduard Bauermeister von 1834-1837. In Northeim, wo sein
Vater das Seniorat verwaltete, wurde er am 19,4. 1805 geboren. Nach
seiner Tätigkeit als Feldprediger in Luxemburg übernahm er das Pfarramt
in Wehrstedt, wo schon nach drei Jahren der Tod erfolgte.
14. Karl Friedrich Wilhelm Zenker von 1838-1875. Als Sohn eines Lehrers
erblickte er am 26. 6. 1801 in Lechstedt das Licht der Welt. In
Wehrstedt liegt er begraben. An ihn erinnert das 2. Bild in der Kirche.
15. Nach einer Vakanz von 1875-1889 folgte Paul Hans Alexander
Wachsmuth von 1889-1900. In Dorpat wurde er am 16. 1.1863 als Sohn
eines Professors und Doktors der Medizin geboren. Von Wehrstedt ging
Wachsmuth als Superintendent nach Sievershausen, im Jahre 1906 übernahm
er die Superintendentur Lüneburg,
die er bis 1933 verwaltete.
16. Friedrich Rudolf Borchers von 1901-1912. In Sülze, wo sein Vater das Pfarramt verwaltete, wurde er
am 2. 2. 1852 geboren. In Wehrstedt starb er am 4. 7. 1912.
17. Charles Martin Adolf Illing von 1913-1927. Als Pastorensohn wurde
er am 9. 12. 1884 in Schwicheldt geboren. Die pfarramtliche Tätigkeit
in Wehrstedt setzte Illing in Ilten fort, bis er 1939 zum
Superintendenten in .Sulingen berufen wurde.
18. Dr. phil. Johann Gottlieb Daniel August Cordes von 1927-1946. Als
Sohn eines Pastors wurde er am 21. 2. 1870 in Einbeck geboren. Von
1903-1927 verwaltete er die 2. Pfarrstelle in Hamburg- Wilhelmsburg-
Reiherstieg. Daneben war er als Sozialpfarrer der Landeskirche tätig.
In Wehrstedt ist er am 31. 5. 1955 gestorben.
19. Hermann-Eberhard Goebel von 1951-1955. In Wuppertal-Barmen wurde er
am 13. 2. 1920 als Sohn eines Kaufmanns geboren. Vor Übernahme des
Pfarramtes in Wehrstedt war Pastor Goebel kurze Zeit in Hildesheim als
Hilfsgeistlicher tätig. Im Jahre 1955 wurde er als Kirchenrat in das
Landeskirchenamt berufen.
20. Pfarrdiakon Ernst Frank 1956-1966
21. Pastor Weisbrich (Bad Salzdetfurth) als Vakanzvertreter 1966-1969
22. Pastor i. R. Dr. Günther Haupt 1969-1974
23. Pastor Joachim Kracke, 1974-
Das Pfarrhaus
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